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Die Geschichte des Hotel Schützenberg in Gotha

Die wechselvolle Geschichte des „Schützen“ am Schützenberg 6 (Teil 1)

Gotha. (tlz von Matthias Wenzel)

Die heutige Villengeschichte hatte der Autor schon lange im Hinterkopf, denn schließlich handelt es sich um sein Geburtshaus. Es bedurfte jedoch eines Anstoßes aus einem kleinen Dorf im Erzgebirge, um sich endlich einmal kurzfristig dieses Themas anzunehmen. Die Rede ist von dem so genannten „Schützen“ am Schützenberg 6.

Die in Gotha geborene und heute in Friedersdorf lebende Rosemarie Zocher bat jüngst den Gothaer Oberbürgermeister um Informationen zur wechselvollen Geschichte dieses Hauses. Diese Anfrage wurde an den Autor in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Altstadtvereins weiter geleitet. Das Ergebnis der Recherchen soll hiermit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Bereits Galletti erwähnte 1779 im zweiten Teil seiner „Geschichte und Beschreibung des Herzogthums Gotha“ den „Schütze vor dem brieler (...) Thore“ als einen der insgesamt elf „gangbaren Gasthöfe“ inner- und außerhalb der damals noch existierenden Gothaer Stadtmauern.
Im ersten Gothaer Adressbuch von 1828 ist der Gasthof zum Schützen in der Brühler Vorstadt unter der Hausnummer 521 zu finden. Bis 1858 hatte er dann die offizielle Adresse „Vorm Brühler Thor 521a“. Da sich die Gothaer Vorstädte vor allem im 18. Jahrhundert entwickelten, ist davon auszugehen, dass auch besagter Gasthof damals entstanden war.
Sein Name, der 1858 auch auf die vorbei führende sowie die benachbarte Straße überging, wurde im 1891 erschienenen „Orts-Lexikon der Stadt Gotha“ wie folgt erklärt: „Schon im 16. Jahrhundert bestanden Armbrustschießen. Der Schießplatz befand sich zu jener Zeit da, wo der Gasthof zum Schützen ist.“

Seit 1790 befand sich der Gasthof im Besitz des aus Großbrüchter bei Sondershausen stammenden Heinrich Gottfried Joel, der zunächst Gastgeber im Riesen am Hauptmarkt 9, der bekanntlich auch bereits am 21. Juli 2001 in dieser Reihe vorgestellt wurde, gewesen war. Den Namen Joel verbinden sicherlich viele mit dem legendären Wirt der „Schmücke“ bei Oberhof.
Tatsächlich wurde Johann Friedrich Joel hier am 6. Juni 1792 als Sohn des „Lieutenants des hiesigen Bürger-Bataillons und Gastgebers zum Schützen“ geboren. Er starb am 15. Oktober 1852. Sein Vater war bereits am 20. Mai 1808 gestorben und der Gasthof vom Sohn Christian Gottfried (1789-1859) übernommen worden. Dessen am 4. April 1828 geborener Sohn Wilhelm führte schließlich den „Schützen“ in dritter Generation weiter. Er übergab ihn jedoch bereits 1882 an Hermann Eidam und starb am 11. August 1906 als Rentner in der Schillerstraße 3.
Eidam war höchstwahrscheinlich der Bruder des 1836 in Bacharach bei Koblenz geborenen Johann Wilhelm Eidam, der seit 1873 die „Rheinische Weinstube“ in der Schwabhäuser Straße 4 und von 1882 bis 1887 zusätzlich den Parkpavillon besaß. Hermann Eidam führte von 1893 bis 1895 das „Hotel zum Deutschen Hof“ in der Erfurter Straße 9-11 und lebte danach noch bis 1897 als Rentner in der Marktstraße 19.

1893 hatte der Restaurateur Carl Bahn aus Erfurt den „Schützen“ erworben und diverse Umbauten durch den Zimmermeister Heinrich Erdmann ausführen lassen. Damals entstand unter anderem der 185 qm großer Ballsaal im Hintergebäude und 1894 eine Bierhalle entlang des Schützenberges. Bereits 1896 kam es nicht nur zu einem erneuten Besitzerwechsel, sondern auch zum Bau des heutigen Gebäudes. Während der Bauphase durfte jedoch die Erfurter Firma Gottlieb Büchner in den Hintergebäuden ein Provisorium auf die Dauer eines Jahres einrichten.
Im September vermeldete das „Gothaische Tageblatt“: „Der Neubau des ,Gasthofs zum Schützen‘ geht mit Riesenschritten seiner Vollendung entgegen und die Einweihung desselben wird nun nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die ganze Einrichtung der Restaurationsräume und Gesellschaftszimmer wird ganz der Neuzeit entsprechen.“
Leider existieren in der Bauakte keinerlei Bauzeichnungen von dem Neubau, der rein äußerlich sehr an das ehemalige Hotel „Klosterklause“ in der Augustinerstraße erinnert. Dieses hatte 1888 Adolf Opderbecke – der Kompagnon von Julius Krusewitz – entworfen, der jedoch inzwischen Gotha verlassen hatte, um Direktor der Anhaltischen Bauschule in Zerbst zu werden.

1897 tauchte jedenfalls der am 18. Juni 1873 in Greußen geborene Guido Dünkel als Besitzer und Gastwirt des nunmehrigen „Hotels zum Schützen“ auf. Dieser ließ 1899 durch den Architekten Robert Krämer den Schützensaal umbauen. Von diesem könnte demnach auch das Projekt für den Hotelbau stammen.

Unter dem Hotelier und Herzoglich Sächsischen Hoftraiteur Guido Dünkel boomte in den ersten zwei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts das Geschäft. „Viele Vereine trafen sich hier zu ihren Übungsstunden oder zur Geselligkeit, unter anderem die Liedertafel, die Stenographen, Handwerkerinnungen, die Loge ,Gustav Freytag‘ und die ,Schlaraffia‘.“ Bei letzteren handelte es sich um einen 1859 in Prag gegründeten Bund Gleichgesinnter, der in Gotha erstmals 1881 als Vereinigung „Gotaha“ erwähnt wurde. Nachdem sie 1894 vorübergehend erloschen war, erfolgte 1905 die Neugründung. Die Schlaraffen „sippten“ nach den im „Ceremoniale“ festgelegten und mit dem Ritterleben vergleichbaren Ritualen.
Mitglieder waren unter anderem der Fabrikbesitzer Rudolf Datz („Herakles von Eisenstein“) und der Druckereibesitzer Richard Schmidt („Harold von der schwarzen Kunst“). Das als „Gotenburg“ bezeichnete Versammlungslokal befand sich zunächst in den Hotels „Deutscher Hof“ und „Herzog Ernst“ und schließlich im „Schützen“. Hier trafen sich die Schlaraffen unter dem Symbol des Uhus als Vogel der Weisheit zu ihren Sitzungen und Vergnügungen und widmeten sich der Pflege der Kunst und des Humors. Dies war natürlich den Nazis ein Dorn im Auge die deshalb 1937 die „Sassen“ zwangen sich „freiwillig“ aufzulösen.
Ansonsten standen im Hotel zum Schützen noch weitere große Räume für Veranstaltungen und Tagungen, ein Kaffeegarten sowie der große Saal mit Bühne zur Verfügung.

Nach dem Ersten Weltkrieg 1920 liefen die Geschäfte natürlich schleppender. Dünkel wurde deshalb Gastwirt des Ratskellers und starb am 4. Januar 1949 als Sozialrentner. Mit dem Gastwirt Max Bernack, der zuvor als Gärtner in Leipzig gearbeitet hatte, fand sich schließlich ein neuer Besitzer, der sich eine sichere Geldanlage erhofft hatte. Diese Hoffnung sollte sich jedoch nicht auf Dauer erfüllen, wovon in der Fortsetzung die Rede sein soll.

Vom Hotel zum Krankenhaus

Die wechselvolle Geschichte des „Schützen“ am Schützenberg 6 (Teil 2)

Gotha. (tlz von Matthias Wenzel)

In der letzten Folge wurde berichtet, wie Ende des 19. Jahrhunderts der einfache Vorstadtgasthof „Zum Schützen“ zu einem modernes Hotel umgebaut wurde. Dieses wurde nicht nur von auswärtigen Gästen, sondern auch von verschiedenen Vereinen genutzt. So traf sich hier seit 1905 jeden Mittwoch um 20.30 Uhr die Schlaraffia-Vereinigung in ihrer „Gotenburg“.
In der schwierigen Nachkriegszeit fand sich 1920 in der Person des aus Leipzig stammenden Gärtnereibesitzers Max Bernack ein neuer Hotelbesitzer, der sich in diesen unsicheren Zeiten eine sichere Geldanlage erhofft hatte. Nachdem er das Hotel über die Inflationszeit hinüber gerettet hatte, ereilte ihn jedoch 1928 ein unerwartet früher Tod. Als Anhänger der Freikörperkultur hatte er sich im damaligen „Licht- und Luftbad“ an der Eschleber Straße durch Sonnenbrand Verbrennungen dritten Grades zugezogen, an deren Folgen er verstarb.
Noch im selben Jahr erhielten der Polizeimeister a.D. Max Kahl, der bereits seit 1920 im Schützen gewohnt hatte, sowie der Gastwirt Artur Zacher (1899-1970) die Konzession zur Weiterbetreibung des Hotels. Es handelte sich dabei nicht um irgendwelche neuen Besitzer, sondern um die Schwiegersöhne von Max Bernack. Frieda Kahl und Else Zacher, die am 2. November 1944 bei einem amerikanischen Tieffliegerangriff auf einen Zug in Neudietendorf umkommen sollte, hatten das Hotel von ihrem Vater geerbt. Die Familie Kahl verzog jedoch bereits 1931 nach Ludwigshafen. Die neuen Besitzer ließen umgehend einen neuen Anbau durch die Gothaer Holzbau GmbH vornehmen. 1933 befand sich im Schützen die Geschäftsstelle des Gothaer Hausbesitzervereins und 1935 hatten hier die Ortsgruppen York und Moltke der Gothaer NSDAP ihren Sitz.Gotha.

Es ist deshalb mehr als verwunderlich, dass dieses Hotel 1937 Konkurs anmelden musste. Das Grundstück wurde im Rahmen einer Zwangsversteigerung durch die Stadtsparbank Gotha erworben, die offensichtlich kein Interesse an einer Weiterbetreibung als Hotel hatte. In dieser Phase wurde die Stadt Gotha auf dieses Objekt aufmerksam. Am 1. Februar 1938 hatte der Obermeister der Klempnerinnung Rudolph während einer Tagung der Ober- und Bezirksinnungsmeister des Stadt- und Landkreises Gotha gegenüber dem Oberbürgermeister den Wunsch geäußert, „die Stadt möge prüfen, ob nicht bald ein Anbau an das derzeitige Berufsschulgebäude erfolgen könne, insbesondere um Unterrichtsraum über die Bedeutung und Verwendung der neuen Werkstoffe zu schaffen.“ Bereits am 22. Februar wurde eine „Skizze für einen beiderseitigen Anbau, 3 Stockwerke hoch, im Grundstück Schäferstr. 10“ erstellt. Parallel dazu bat der Oberbürgermeister am 14. Februar „zu prüfen, ob und inwieweit die Räume des Hotels zum Schützen vorübergehend für einige Jahre für schulische Zwecke, insbesondere für die Berufs- oder Handelsschule, nutzbar gemacht werden können.“

Zunächst sollte jedoch das Gebäude der Hitlerjugend als HJ-Heim angeboten werden. Am 23. Februar fand ein Ortstermin statt. Dabei wurde festgestellt, dass „sich die Verwendung des Schützen für Berufschulzwecke durchaus“ eignet und „dass noch nicht einmal allzugrosse bauliche Veränderungen vorgenommen zu werden brauchen“. Im November 1938 legte der Gothaer Stadtbaumeister Martin Bauer einen Entwurf zum Umbau des Schützen zu einer Gewerblichen Berufsschule vor. Dieser sah die Einrichtung von Klassenzimmern für Kaufleute sowie für das Nahrungsmittel-, Bekleidungs-, Tischler- und Graphischen Gewerbes sowie von Arbeitsräumen für Friseure, für das Bekleidungs- und das Graphische Gewerbe (mit Stein- und Buchdruckmaschine) vor.

Zum 1. April 1939 erwarb deshalb die Stadt Gotha das Grundstück für 40.000 RM von der Stadtsparbank und am 22. Mai begannen die Umbauarbeiten. Ab Januar 1940 zogen dann noch das Grundstücks- und Wirtschaftsamt in den Schützen. Zu Ostern 1940 sollte der Umbau eigentlich abgeschlossen sein und der Schulbeginn erfolgen. Erst am 9. September 1940 fand jedoch im Rahmen einer schlichten Feierstunde im Vorsaal des umgebauten früheren Hotels die Einweihung verschiedener Klassenräume als „Ergänzungsbau der Knabenberufsschule“ statt. Lediglich das graphische und Nahrungsmittelgewerbe konnten damals den Unterricht in zwei Räumen des Flügelanbaus aufnehmen. Die übrigen Räume waren bereits ab dem 1. April 1940 für ein städtisches Hilfskrankenhaus beschlagnahmt worden, dessen Verwaltung in den Händen des Wohlfahrtsamtes lag. Diese kriegsbedingte Umnutzung sollte das weitere Schicksal des Gebäudekomplexes für die nächsten Jahrzehnte bestimmen.

Im Januar 1945 wurde als Luftschutzmaßnahme die „Sicherung des Hilfskrankenhauses gegen Bomben“ veranlasst. Dazu musste extra ein „Antrag auf Ausnahme vom Bauverbot“ eingereicht werden. Am 17. April – also knapp zwei Wochen nach dem Kriegsende in Gotha – konnte schließlich eingeschätzt werden: „Die Ausführung der Splitterschutzwand ist gegenwärtig überholt.“ Schließlich war knapp zwei Wochen zuvor am 4. April Gotha von der 4. US-amerikanischen Panzerdivision befreit worden. Die Mitarbeiter und Insassen des Schützen hatte dabei „Logenplätze“, denn die Amerikaner waren vom Schützenberg und der Eisenacher Straße her nach Gotha eingerückt.

Auch nach Kriegsende blieb es bei der bisherigen Nutzung des „Schützen“ als Krankenhaus. Am 7. September 1947 beantragte Georg Bonsack (1882-1950) in seiner Eigenschaft als Krankenhausverwalter die Renovierung des Hilfskrankenhauses „Schützen“. Dies betraf vor allem das Streichen der abgenutzten Wände des Treppenhauses und der Küche sowie die Instandsetzung des kleinen Gartensaals nach Herausnahme der Maschinen. Damit meinte er wohl die erwähnten Druckmaschinen aus Berufsschulzeiten.

1949 mussten dann in der nunmehrigen Abteilung I (Allgemeine Station) des Städtischen Krankenhauses 9.000 DM investiert werden, um die neue Küchenordnung wenigstens teilweise befolgen zu können. Irgendwann wurde dann leider auch das gesamte Haus einer „Sanierung“ unterzogen, was den Verlust der Turmhaube sowie der Gründerzeitfassade zur Folge hatte.
Später befand sich dann im „Schützen“ – wie das Gebäude noch heute von den Gothaern bezeichnet wird – die Geburtsklinik. So kam es, dass viele Gothaer – unter anderem auch der Autor – hier das Licht der Welt erblickten. Schließlich erfolgte eine erneute Umnutzung als Stoffwechselklinik. Bis Mitte der 1990er-Jahre hatte deshalb der Zuckerarzt Dr. Dehmel seine Praxis im Schützen.
Heute wird der Gebäudekomplex nur noch teilweise genutzt. So befinden sich hier verschiedene Büros und Geschäftsstellen. Die glanzvolle Vorgeschichte ist dem Gebäude leider nicht mehr anzusehen. Diese will jedoch die eingangs erwähnte Rosemarie Zocher in einem Roman verarbeiten, um ihrer „Heimatstadt ein interessantes und liebevolles Denkmal“ zu setzen. Es handelt sich schließlich um eine Enkelin des Wirtsehepaares Else und Artur Zacher, so dass neben den geschilderten Fakten sicherlich auch viele familiäre Erinnerungen einfließen werden. Auf das Ergebnis können jedenfalls nicht nur die Gothaer gespannt sein.

Seit 2009 betrieb Familie Schellenberg das Hotel nach umfangreichen Umbaumaßnahmen und hoffte, so die Tradition des Hauses noch lange fortführen zu können. Die zentrale Lage hat seit Jahrhunderten bewiesen, ein guter Standort für Gäste aus aller Welt zu sein.
Seit dem 01.08.2014 ist Frau Angelika Schellenberg Eigentümerin und führt das Hotel Schützenberg mit Ihrem Team weiter.

Vom Krankenhaus zum "Hotel Schützenberg"

Die Tradition soll erhalten bleiben

Die zentrale Lage des Schützen hat seit Jahrhunderten bewiesen, ein guter Standort für Gäste aus aller Welt zu sein. So entschloss sich Familie Schellenberg zum Kauf des Grundstücks und eröffnete nach umfangreichen Umbaumaßnahmen 2009 das Hotel wieder. Die Tradition des Hauses sollte so nach lange fortgeführt werden.
Seit dem 01.08.2014 ist Frau Angelika Schellenberg alleinige Eigentümerin und führt das Hotel Schützenberg mit Ihrem Team weiter.
Und auch die Sanierungs- und Umbaumaßnahmen im und am Hotel gingen weiter. Innen wurden alle Zimmer aufwendig und geschmackvoll renoviert, das historische Haus überzeugt nun mit persönlicher Note und frischem Esprit.
Das Hotel verfügt mittlerweile auch über einen Wellnessbereich, Massageraum, eine Hotelbar und einen Veranstaltungsraum für bis zu 25 Personen für Meetings oder Feiern.
Auch von außen wurde alles renoviert und erneuert, so hat das Haus heute fast seine alte "Gründerzeitfassade" wieder.

Und auch die Turmhaube, welche nach 1949 durch Umbauten abgerissen wurde, konnte nach alten Plänen wieder aufgebaut werden. Es war für Frau Schellenberg ein bewegender Moment, als die Turmhaube wieder aufgesetzt wurde.